Altes Gymnasium Bremen

Bremer im Herzen: Der Pianist Parvis Hejazi - Londoner mit Basis an der Weser

„Ich habe es sehr genossen, das Konzert zu spielen“, schwärmt er. Generell hat er einen guten Draht zur Bremer Dirigentenriege. Das gilt für den zweiten Generalmusikdirektor Yoel Gamzou, aber auch für den schwedischen Dirigenten Olof Boman, der am Theater Bremen lange Jahre erfolgreich gearbeitet hat. Die benachbarte Villa Ichon verfügt mittlerweile über einen Flügel, der im Kaminsaal steht. Eingefädelt hat die Kooperation mit der Villa Hejazis frühere Klavierdozentin an der Hochschule für Künste Bremen, Almut Cordes. An der HfK war der damals 17-Jährige als Jungstudent aufgenommen worden.

Das Masterexamen steht kurz bevor

Von dort schaffte er den Sprung ins renommierte Royal College of Music in London, sozusagen von einer Piano-Mentorin zur anderen: Für Parvis Hejazi war klar, dass er sein Masterexamen, auf das er in London hinarbeitet, unbedingt bei Norma Fisher absolvieren will. „Sie ist eine sehr prägende Persönlichkeit für mich“, sagt er. Jetzt lebt er im fünften Jahr in London, in eineinhalb Jahren steht das Masterexamen an.

Parvis Hejazi ist mit seinen 22 Jahren ein Weltbürger. 60 Prozent seiner Zeit verbringe er in London, jeweils 20 Prozent in Deutschland und Italien. Stammt seine Freundin doch aus Siena und lebt in Venedig. „Ich weiß noch genau, wie es war, als wir während des Lockdowns als Einzige auf dem Markusplatz standen“, erzählt er. A propos Italien: Im Corona-Jahr war er als Pianist in der Villa Medici Giulini vor den Toren Mailands zu Gast. Weitere Auftritte sollen folgen.

Mit 14 entschied er sich, das Orgelspielen an den Nagel zu hängen, obwohl er da bereits den ersten Bundespreis Orgel gewonnen hatte. „Ich bin doch in erster Linie Pianist, und die Anschlagstechniken sind einfach zu unterschiedlich“, erläutert er. Zunächst studierte Hejazi auch Cembalo und belegte bei Ton Koopmann, Spezialist für historische Aufführungspraxis, Meisterkurse. Aber auch das Komponieren ist ein wichtiger Teil seines künstlerischen Schaffens.

Nun macht es die Corona-Pandemie freischaffenden Künstlern ja seit mittlerweile fast zwei Jahren besonders schwer. In einigen Bundesländern sind Konzerthallen bereits wieder geschlossen. Was gibt dem jungen Pianisten in diesen unsicheren Zeiten Halt? Die katholische Theologie, aber auch die Philosophie seien wesentlicher Anteil seines persönlichen, künstlerischen Seins, betont er. Ganz gemäß eines Leitspruchs des Kirchenvaters Augustinus, demzufolge Gott die Schönheit allen Seins ist. Und der göttliche Funke der Schönheit liege eben auch in der Musik und in der Kunst überhaupt. Hier bringt der 22-Jährige einen Gedanken des dänischen Philosophen Sören Kierkegaard ins Spiel: Es lohne sich, in der Endlichkeit des Lebens in der Kunst danach zu streben, das Absolute zu erreichen – Wahrheit, Schönheit und Liebe.

Wie wird es weitergehen?

Vielleicht sei diese Spiritualität in Zeiten der Pandemie besonders wichtig, genauso wie Hoffnung, Zuversicht und die Kraft der Musik, fügt er hinzu. Wie Kunst überhaupt in diesem Spannungsfeld entstehe. Hejazi liebt es nach eigenen Worten, konträre, künstlerische Positionen einander gegenüber zu stellen. Franz Liszt, der zuletzt vor den Toren Roms als Abbé lebte und sich der Spiritualität verschrieben hatte, und dessen Werke mit denen Prokofjews, die in der frühen Sowjetzeit entstanden, zu konfrontieren, sei schon reizvoll. Und schließlich sei auch Martin Luther zuerst ein katholischer Priester gewesen, der mehr als 600 Kirchenlieder geschrieben habe.

Wie wird es für die Künstlerinnen und Künstler nach der Corona-Pandemie weitergehen? Dass es weitergehen wird, davon ist Parvis Hejazi jedenfalls fest überzeugt. Nur eben anders. Und er vergleicht die Situation mit der Lichtbringerin, der Heiligen Lucia, die die römischen Katakomben, in die sich die frühen Christen vor Verfolgung gerettet hatten, mit Lichtern erhellte, so die Legende. In vielen, kleineren Konzertformaten könne die Flamme der Musik weitergetragen werden, ist der Musiker überzeugt. Oder für die Bildende Kunst: Kunstwerke könnten aus Produzentengalerien ihren Weg in große Kunsthallen finden.

INFO

Parvis Hejazi in seiner Heimatstadt Bremen: Die Reihe der Salonkonzerte im intimen Rahmen der Villa Ichon wird 2022 fortgesetzt. Am Sonntag, 16. Januar interpretiert der Pianist Werke von Chopin, Liszt und Prokofjew bei Koch und Bergfeld in der Überseestadt. Und auch seine Auftritte im Sendesaal und in der Galakonzert-Reihe des Musikfest Bremen sollen nicht die letzten gewesen sein. 

Sigrid Schuer (Weser-Kurier) ... 03.01.2022

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