Eine Studienfahrt auf den Spuren von Walter Benjamin und verschiedenen Künstlern.
Collioure-Barcelona
9. - 20.September 2005
Leistungskurs Französisch Jg. 12, Profil B
Sabine Münchow
Christa Sanders-Terhorst
Sicht der Dinge
Was auch passiert, das Auge verrät es, auch wenn der Verstand noch nicht so weit ist. Wenn der Blick blitzt, flammt das Leben auf, wenn er bricht ist es vorbei. Die Entdeckung des Auges als Indikator für den Zustand eines Menschen ist wahrscheinlich so alt wie die Menschen selbst1.
Während der Wanderung sucht ihr euch wird ein auf ein Objekt oder einen Gegenstand oder eine Pflanze oder einen Menschen, befestigt darauf ein Augenpaar, fotografiert es und verseht es mit einem kurzen Kommentar (z.B. 1 Satz, 1 Titel, ein Zitat, Gedichtszeile o.ä.), die zu der Situation Benjamins während der Wanderung passen könnte.
Ziel: Mit fremden/neuen Augen wahrnehmen, um eine neue Sicht/Ansicht/Einsicht/übersicht zu geben
Ziel: Gedankenspuren/ Denkspuren verdeutlichen
Memorial Walter Benjamin
Es geht uns darum, einen Moment festzuhalten, in dem die Vergangenheit in der Gegenwart auftaucht.
Aufgabe:
Was hat W.Benjamin mit Euch, den Schülern des Jahres 2005 zu tun?
Um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, lest bitte folgenden Zeitungsausschnitt (Frankfurter Rundschau vom 28.5.05) und versucht eine Antwort auf die Frage zu finden.
Für das osterweiterte Europa forderte er (Jorge Semprun, ehemaliger Häftling in Buchenwald, relegiertes KP-Mitglied, von 1988 bis 1991 spanischer Kulturminister und viel geehrter Schriftsteller) „eine kritische Wiederaneignung des gesamten Geschichtsgedächtnisses“. Eine Aufgabe, bei der Deutschland mit seiner „Erfahrung zweier Totalitarismen“ wie seiner gelungen „Gedächtnisarbeit“ in der Pflicht stehe. Seine historisch meist gefährliche geopolitische Stellung als Mittelmacht müsse es umwerten und Brücke werden.
Volker Braun
BENJAMIN IN DEN PYRENäEN
Ruhig schreiten in die Nebelwand.
Die Arme rudern eckig, aber gleichmäßig.
Exakt nach dem Papier über dem Abgrund.
In der Aktentasche Ekrasit, d.i.
Die Gegenwart
Schritt vor Schritt, wie der Zufall
Dem Fuße einen schmalen Stützpunkt bietet
Im Material. Gnädige Frau, Nichtgehn
Wäre das eigentliche Risiko.
Nach der Uhr / nach fünf Zeilen rastend.
Felder, auf denen nur der Wahnsinn wuchert.
Vordringen mit der Axt im Kopf
Ich habe nichts zu sagen. Nur zu zeigen.
Im kleinsten scharf umschnittenen Segment.
Ohne nach rechts und links zu sehen ins
Grauen
Nach der Methode werde ich es schaffen.
Der Weinberg rieselt, rutscht in die Senkrechte
Voll von fast reifen süßen dunklen Trauben.
Die Tasche ist das allerwichtigste! der Leib zwischen Rebstöcken
Schwer atmend, das Herz
Kämpft, der kritische Augenblick:
wenn der Status quo zu dauern droht.
Skelette unter über mir Aasgeier.
Kürzere Schritte, längere Pausen.
Meine Geduld macht mich unüberwindlich.
Die Segel der Begriffe setzen. Gnädigste
Darf ich mich bedienen? Auf dem Gipfel
Plötzlich wie erwartet die Gewalt
Des Ausblicks. Tiefblaue Meere:
Auf einmal seh ich zwei. Zinnoberküsten.
Unter den Klippen Freiheit.
Kein Durchlaß in Port Bou. Wir Apatriden
Haben aber die tödliche Dosis
Würden Sie die Tasche halten, bei uns.
Er dachte vermutlich, den Aufstieg nicht noch einmal zu schaffen. Am Morgen fanden die Grenzbeamten den Leichnam in meinem Text. Die Konstruktion setzt Destruktion voraus. Die schwere Ledertasche, gerettet vor dem Zugriff der Gestapo, UNOS PAPELAS MAS DE CONTENIDO DESCONOCIDO, ging verloren. Zu rasch der Schlußstrich, Herr, in Ihr Leben. Das Leben trägt das Werk, wenn ich das sagen darf, an diesem Steilhang.
In jedem Werk gibt es die Stelle, an der es uns kühl anweht wie die kommende Frühe
© Suhrkamp Verlag
Voilker Braun, aus: Lustgarten, Preußen, 1996
Publisher: Suhrkamp Verlag
ISBN: 3 518 39624 2